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Das größte Missverständnis über Verletzlichkeit in der Führung

  • Autorenbild: Christian
    Christian
  • 11. Okt.
  • 3 Min. Lesezeit

Aktualisiert: 12. Okt.

Führungskraft nimmt den Helm ihrer Rüstung ab.

Jahrelang dachte ich, als Führungskraft und Berater dürfte ich keine Unsicherheit zeigen. Ein teurer Irrtum, der mich fast die so wichtige Verbindung zu meinen Teams und Klienten gekostet hätte.


Vielleicht kennst du das auch: Du stehst vor einer komplexen Entscheidung, spürst die Unsicherheit in dir aufsteigen, aber zeigst nach außen die gewohnte Souveränität. Du denkst, das sei Führungsstärke. Dabei ist es oft das Gegenteil.


Das Bild des unangreifbaren, allwissenden Leaders ist tief in unserer Unternehmenskultur verankert. Doch in einer Welt, die von Komplexität und permanentem Wandel geprägt ist, erweist sich dieses Ideal nicht nur als unrealistisch, sondern als hinderlich für echte mentale Fitness und Selbstwirksamkeit.


Brené Browns Revolution: Verletzlichkeit neu definiert


Die renommierte Forscherin Brené Brown hat dieses Paradigma mit ihrer jahrelangen Forschung erschüttert. Sie definiert Verletzlichkeit nicht als Schwäche, sondern als einen Zustand von "Unsicherheit, Risiko und emotionaler Exposition". Es ist der Moment, bevor wir eine wichtige Entscheidung treffen, ehrliches Feedback geben oder einen Fehler zugeben. Es ist der Moment, in dem wir uns zeigen, ohne den Ausgang zu kennen.

Browns entscheidende Erkenntnis ist, dass Verletzlichkeit der Geburtsort von allem ist, was wir uns in unseren Organisationen wünschen: Mut, Kreativität, Innovation und Vertrauen. Es gibt keinen Mut ohne Verletzlichkeit.


Denk einmal darüber nach: Jede mutige Handlung, die du je vollbracht hast – sei es die Einführung einer neuen Strategie, ein schwieriges Mitarbeitergespräch oder die Korrektur eines eigenen Fehlers – war untrennbar mit einem Gefühl der Verletzlichkeit verbunden. Du wusstest nicht mit Sicherheit, wie es ausgehen würde.


Der Mut-Verletzlichkeits-Zusammenhang


"Verletzlichkeit ist nicht Gewinnen oder Verlieren; es ist der Mut, sich zu zeigen und gesehen zu werden, wenn wir keine Kontrolle über das Ergebnis haben. Verletzlichkeit ist nicht Schwäche; sie ist unser größtes Maß für Mut." - frei übersetzt nach Brené Brown


Diese Definition revolutioniert unser Verständnis von Führung. Authentische Führung bedeutet nicht, perfekt zu sein, sondern echt zu sein. Es bedeutet, den Mut zu haben, die eigene Menschlichkeit zu zeigen, ohne dabei an Wirksamkeit zu verlieren.


In meiner Arbeit mit Führungskräften erlebe ich immer wieder den Moment, in dem diese Erkenntnis durchbricht. Ein Geschäftsführer erzählte mir kürzlich: "Ich dachte immer, ich müsste alle Antworten haben. Aber als ich anfing, auch meine Fragen zu teilen, wurde mein Team plötzlich viel kreativer und engagierter."


Verletzlichkeit in der VUCA-Welt


In unserer VUCA-Welt (Volatilität, Unsicherheit, Komplexität, Ambiguität) ist die Fähigkeit zur Verletzlichkeit nicht länger ein "Soft Skill", sondern eine strategische Kernkompetenz. Warum?


Erstens: Komplexe Probleme erfordern kollektive Intelligenz. Kein Einzelner, auch nicht die klügste Führungskraft, kann alle Facetten moderner Herausforderungen überblicken. Verletzlichkeit öffnet den Raum für die Weisheit des Teams.


Zweitens: Veränderung ist die einzige Konstante. In einem Umfeld permanenten Wandels ist die Bereitschaft, zu lernen und sich anzupassen, überlebenswichtig. Verletzlichkeit ist die Voraussetzung für echtes Lernen.


Drittens: Vertrauen ist die Währung der Zukunft. In einer Zeit, in der Mitarbeiter zunehmend Sinn und Authentizität suchen, schaffen nur verletzliche Führungskräfte die Zugehörigkeit, die Menschen langfristig bindet.


Die drei Komponenten der Verletzlichkeit verstehen


Browns Forschung identifiziert drei Kernkomponenten der Verletzlichkeit:


  1. Unsicherheit: Das Eingeständnis, dass wir nicht alles wissen oder kontrollieren können

  2. Risiko: Die Bereitschaft, etwas zu wagen, ohne das Ergebnis zu garantieren

  3. Emotionale Exposition: Die Offenheit, unsere wahren Gefühle und Gedanken zu teilen


Diese drei Elemente sind in jeder mutigen Führungsentscheidung präsent. Wenn du das nächste Mal vor einer wichtigen Entscheidung stehst, achte darauf: Spürst du diese drei Komponenten? Dann bist du auf dem richtigen Weg.


Verletzlichkeit vs. Oversharing: Die wichtige Unterscheidung


Ein häufiges Missverständnis ist, dass Verletzlichkeit bedeutet, alle persönlichen Probleme am Arbeitsplatz zu teilen. Das ist nicht der Fall. Strategische Verletzlichkeit in der Führung bedeutet:


  • Kontextbezogene Offenheit: Teile das, was für die Situation und das Team relevant ist

  • Professionelle Authentizität: Sei echt, aber behalte angemessene Grenzen

  • Zielorientierte Transparenz: Nutze Verletzlichkeit, um Vertrauen aufzubauen und bessere Ergebnisse zu erzielen


Reflexionsfragen für deine Führungspraxis


Bevor wir zum nächsten Teil übergehen, lade ich dich zu einer ehrlichen Selbstreflexion ein:


  1. Wann hast du das letzte Mal in einem Meeting gesagt: "Ich weiß es nicht"?

  2. Wie reagierst du, wenn ein Mitarbeiter einen Fehler macht?

  3. Welche Ängste halten dich davon ab, verletzlicher zu führen?

  4. In welchen Situationen spürst du den Druck, perfekt erscheinen zu müssen?


Diese Fragen sind nicht dazu da, dich zu verurteilen, sondern um Klarheit zu schaffen. Denn nur wenn du ehrlich zu dir selbst bist, kannst du authentisch zu anderen sein.


Der Weg nach vorn


Verletzlichkeit in der Führung ist kein Zeichen von Schwäche, sondern von innerer Souveränität. Es ist der Mut, sich zu zeigen, auch wenn das Ergebnis ungewiss ist. Es ist die Präsenz, die entsteht, wenn wir aufhören, eine Rolle zu spielen, und anfangen, wir selbst zu sein.


Im nächsten Teil dieser Serie werden wir untersuchen, wie diese Haltung der Verletzlichkeit die unsichtbare Währung des Erfolgs schafft: psychologische Sicherheit. Wir werden sehen, wie deine Bereitschaft zur Verletzlichkeit direkt die Leistungsfähigkeit und das Vertrauen in deinem Team beeinflusst.


Denn am Ende geht es nicht darum, ob du verletzlich bist – das bist du bereits. Es geht darum, ob du den Mut hast, diese Verletzlichkeit als Stärke zu nutzen.

 
 
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