Warum Spaß für Lernen und Wachstum unabdingbar ist
- Christian

- 17. Juli
- 2 Min. Lesezeit

Zunächst bin ich etwas überrascht: Am Tag der Einschulung meiner Tochter hält der Schulleiter eine Ansprache, in der es fast ausschließlich um Spaß geht. Spaß in der Schule und vor allem Spaß beim Lernen. Und nicht einfach, weil das Leben mit Spaß halt netter ist als ohne, sondern weil er weiß, dass unsere Kinder besser lernen, wenn sie sich in einem angenehmen und entspannten emotionalen Zustand befinden.
Das gilt natürlich genauso für Erwachsene.
Lernen unter Stress – wozu das Gehirn (nicht) da ist
Unser Gehirn ist kein Lernapparat im modernen Sinne, sondern ein Überlebensorgan.
In Situationen, die es als gefährlich einstuft, etwa bei einem prüfenden Blick, unter Leistungsdruck oder bei einem echten Säbelzahntiger, schaltet es in den sogenannten Fight-or-Flight-Modus. Der Körper wird mit Stresshormonen, vor allem Adrenalin und Cortisol, überflutet. Aufmerksamkeit und Energie werden gebündelt. Blut fließt in die großen Muskelgruppen, das Herz schlägt schneller, das Immunsystem fährt herunter, Verdauung und komplexes Denken ebenso.
Die Priorität lautet: Überleben. Jetzt sofort.
Was in solchen Momenten hervorragend funktioniert, ist schnelles Reagieren, reflexartige Entscheidungen und fokussiertes Tunneldenken.
Was in solchen Momenten nicht funktioniert, ist langfristiges Lernen, kreative Verknüpfung und Gedächtnisbildung.
Denn Lernen, zumindest das tiefergehende, integrierende, sinnverstehende Lernen, braucht etwas ganz anderes als Stress.
Freude, Sicherheit und Offenheit als ideales Lernklima
Wenn wir uns sicher fühlen, wenn wir Freude empfinden oder in einem neugierigen Zustand sind, schaltet das Gehirn in den sogenannten Rest-and-Digest-Modus, also die Aktivierung des Parasympathikus. Die Stresshormone sinken, stattdessen steigen Dopamin und Oxytocin. Und genau diese biochemischen Zustände wirken als Lernverstärker.
Studien zeigen:
Dopamin fördert Gedächtnisbildung und Motivation. Es macht Lernprozesse belohnend und unterstützt das Entstehen neuer neuronaler Verknüpfungen.
Oxytocin stärkt soziale Bindung, was ein zentraler Faktor für ein sicheres Lernumfeld ist.
Neuroplastizität, also die Fähigkeit des Gehirns, sich zu verändern und Neues aufzunehmen, ist deutlich höher, wenn ein Mensch sich emotional wohlfühlt.
Oder anders gesagt: Freude öffnet den Raum, Stress verengt ihn.
Was das für Kinder bedeutet, und für uns Erwachsene
Wenn ein Kind sich fürchtet, sich beschämt fühlt oder sich unter Leistungsdruck verkrampft, dann lernt es nicht besser, sondern schlechter. Es schaltet innerlich auf Durchzug oder in den Überlebensmodus.
Wenn es hingegen lacht, spielt und entdeckt, dann ist es auf Empfang. Dann ist das Gehirn bereit, zu lernen.
Und das gilt eben nicht nur für Kinder.
Auch Erwachsene lernen nicht gut unter Druck. Sie funktionieren unter Druck, das stimmt. Aber sie entwickeln sich dabei nicht. Entwicklung braucht Offenheit, und Offenheit braucht emotionale Sicherheit.
Vom Klassenzimmer ins Unternehmen
Was wäre, wenn wir diesen Gedanken ernst nehmen?
Wenn wir in Bildung, Organisationen und Führung nicht nur fragen: „Was soll gelernt werden?“, sondern auch: „In welchem Zustand wird gelernt?“
Was wäre, wenn wir nicht nur Methoden und Inhalte optimieren, sondern auch das emotionale Klima verbessern, in dem Lernen (=Wachstum) überhaupt möglich wird?
Denn eines ist klar:
Menschen lernen nicht nur mit dem Kopf.
Sie lernen mit dem ganzen System.
Und dieses System braucht einen Zustand, in dem Neues willkommen ist.
Fazit: Wer Wachstum will, muss für Sicherheit sorgen
Wer Menschen entwickeln will, ob Kinder oder Erwachsene oder ganze Organisationen, darf sich nicht allein auf Strukturen, Inhalte und Methoden verlassen.
Er braucht auch den Mut, sich um die emotionale Grundlage zu kümmern, also um Freude, Vertrauen, Zugehörigkeit und Neugier.
Denn nur in diesem Zustand kann Wachstum wirklich geschehen.


